Tell me why
„I know that you see what you´re doing to me, tell me why“ Taylor Swift fasst in Worte, was ich lange nicht ausdrücken konnte oder durfte. Dieses Gefühl, im eigenen Schmerz zu versinken, ganz offensichtlich, und doch will die Person, die dafür verantwortlich ist, das nicht sehen.
Sie ignoriert den offensichtlichen Schmerz, den sie dir zufügt. Ignoriert das offensichtliche Leid, dass sie auslöst.
Wie oft stand ich vor dir und habe mich genauso gefühlt? Dann war ich zu empfindlich, melodramatisch oder zu emotional. Die Tränen rannen über mein Gesicht, ich konnte kaum atmen vor Schmerz, Angst und auch Wut. Aber dich hat das kaltgelassen. „Man kann dir nichts sagen. Sofort fängst du an zu heulen“, war alles, was du dazu zu sagen hattest. Es war dein Totschlagargument. Was soll man dazu auch sagen? Was soll man sagen, wenn die Person, die da ist, um dich zu schützen, dich aufzubauen, dich im Grunde nur zerstört?
Du trittst noch nach, wenn man schon am Boden liegt. Schiebst die Schuld auf mich, auf den Nachbarn, auf jeden, nur um nicht akzeptieren zu müssen, dass du Schuld bist.
Mein Schmerz ist dir egal. Ich bin dir egal. Was du mir und uns antust, ist dir egal. War es schon immer.
Ich soll die Verantwortung für mein Handeln übernehmen. Ich soll die Verantwortung für dein Handeln übernehmen. Du übernimmst keine Verantwortung. Du willst nicht sehen, was du anderen angetan hast. Du willst nicht sehen, dass du verbranntes Land hinterlässt. Du säst Schmerz, Leid, Angst und Unsicherheit. Du zerstörst mich. Aber du bist nicht schuld.
Du verweigerst die Einsicht, verweigerst, dein Verhalten einzusehen, zu reflektieren und den Schmerz anzuerkennen, den du verursachst. Du ignorierst, wie du mich zerstörst.
Ich sehe, dass du es siehst, aber du willst es nicht einsehen, nicht verstehen.
Ich bin selbst schuld. Ich stelle mich nur an. Ich bin zu viel. Ich bin nicht genug.
Alles, was ich für dich bin, ist zu oder nicht. Ich bin nur toll, wenn du das Lob dafür bekommst. Du hast mich geschaffen, mich kreiert, mich geformt. Ich bin nicht gut, weil ich mich zerrissen habe, um gut genug zu sein, um dir keine Probleme zu machen, um nicht aufzufallen, damit du nicht wieder wütend wirst. Nicht, weil ich mich angestrengt und gekämpft habe. Sondern, weil du mich erzogen hast.
Erziehung ist Verantwortung, und Verantwortung übernimmst du nicht.
Ich habe sie übernommen, mit sechs Jahren, mit neun Jahren, mit dreizehn, mit fünfzehn und auch sonst. Für dich.
Ich bin toll, fabelhaft und unglaublich, weil ich dich überlebt habe. Weil ich mich aus Schmerz und Angst herausgekämpft habe und nicht darin versunken bin. Weil ich mich jedes Mal vom Abgrund zurückkämpfe und mich nicht fallen lasse.
Und das alles nur, weil du einen Fehler gemacht hast, geglaubt hast, ich könnte nicht ohne dich sein. Dass ich nicht die Verantwortung für mich übernehmen kann.
Du dachtest, ich komme wieder, weil du mich geschaffen hast, weil ich dein war, weil ich abhängig von dir war.
Aber ich kann ohne dich überleben, ich lebe sogar.
Deine Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen hat mich befreit.
Ich lerne, dass ich toll bin, weil ich ich bin. Weil ich intelligent, witzig und charmant bin. Weil ich fleißig und diszipliniert bin. Neugierig und wissbegierig. Freundlich, einfühlsam und mitfühlend. Weil Menschen sich bei mir wohlfühlen, weil ich gut mit Kindern und Tieren kann. Weil ich kreativ bin und versuche, anderen zu helfen. Und weil ich Verantwortung übernehme, für mich und mein Handeln, aber auch für andere. Ich bin toll, weil ich sehe, wenn jemand leidet.
Ich bin gut so wie ich bin, weil ich mein bin und nicht dein. Ich bin toll, nicht weil du da warst, sondern obwohl du da warst.
Ich habe bestimmt auch gutes von dir, aber alles, was du mir angetan hast, wiegt Tonnen schwerer. Alles Gute, jede gute Erinnerung hast du kaputt gemacht. Denn der Schmerz ist so viel größer, die Wunden so viel tiefer.
Hättest du anerkannt, was du tust, wäre der Schmerz vielleicht nicht so groß. Aber das hast du nicht und du wirst es nie. Du wirst so tun, als würdest du, aber du tust es nicht.
Also wiegt mein Schmerz weiter Tonnen und versucht täglich mich unter sich zu begraben. Also kämpfe ich täglich, bis der Schmerz weg ist.
Denn ich bin mein und ich übernehme Verantwortung für mich.
